Anti-Zyonismus
»lorsqu’un homme intelligent et cultivé pose des questions naïves, c’est qu’il se passe quelque chose de grave«
(Frédéric Krivine)
»by the very end of his life [...] he had come to believe that a people, a nation, does not create itself
according to its own best ideas, but is shaped by other forces, of which is has little knowledge.«
(J.G. Farrell, The Siege of Krishnapur)
I Anti-Zyonismus
»Jewish control from the river to the sea«
(Parole des Likud)
Hassen Sie Juden? – Dann sind Sie ganz bestimmt, fürchte ich, und da kann man wohl nichts machen, ein Judenhasser. Lassen Sie sich jedenfalls nicht einreden, Sie wären Antisemit. Denn dann befänden Sie sich in einer ziemlich gemischten, um nicht zu sagen multikulturellen Gesellschaft von Leuten: Künstlern, Intellektuellen, Arabern, Muslimen, möglicherweise sogar Juden selbst. Das wird Ihnen nicht gefallen. Falls Sie Juden hassen, ist dieses Buch eigentlich nichts für Sie. Denn in diesem Buch geht es nicht darum. Es beschäftigt sich mit Antisemitismus. Sie werden schon sehen. Aber vielleicht beginne ich besser von vorn...
Das vorliegende Buch, das ich nie vorhatte zu schreiben, ist keine wissenschaftliche Abhandlung, erhebt nicht den Anspruch, eine These zu beweisen. Gemessen daran, was und wieviel über Antisemitismus geschrieben wurde, derzeit geredet wird, ist es ein eigentlich überflüssiges Buch: Längst scheint alles von Journalisten, Betroffenen, Wissenschaftlern, zumeist von Juden selbst, aber auch von einigen Nichtjuden oft aus unmittelbarer Betroffenheit heraus, mit größerem Sachverstand ausführlicher behandelt, beschrieben, dokumentiert, wie zum Beispiel:
- der zionistische Terrorismus während der britischen Mandatsherrschaft;
- der Anschlag auf das King David Hotel durch die israelische Terrororganisation Irun;
- die zionistische Vertreibung der arabischen Bevölkerung aus Palästina (Nakba);
- die Zerstörung des Maghrebviertels in der Altstadt von Jerusalem;
- die Verletzung der Menschenrechte in den von israelischen Truppen besetzten Gebieten;
- die Duldung oder gar die Anstiftung Israels zum Massaker an Flüchtlingen in Sabra und Shatila;
- die vielfache Mißachtung der Beschlüsse der Vereinten Nationen und des Völkerrechts;
- der zionistische Landraub und die Ermordung von Bewohnern der Westbank und des Gazastreifens;
- die Enteignung von Land für den Bau von Siedlungen für zionistische Kolonisten;
- die kollektive Bestrafung der palästinensischen Bevölkerung durch die Zerstörung von Häusern, die Vernichtung von Anpflanzungen, anderen Eigentums und Vertreibung;
- die Zerstörung der Lebensgrundlage der Bevölkerung für den Bau einer Grenzbefestigung;
- die gezielte Tötung und Verletzung palästinensischer Kinder und Jugendlicher durch israelische Soldaten;
- die absichtliche Tötung von Journalisten in Konfliktzonen;
- die Schikanierung der Bewohner der Besetzten Gebiete und die Behinderung ihrer Freizügigkeit;
- die Verweigerung humanitärer Hilfe an die notleidende Bevölkerung in den besetzten Gebieten;
- die rechtliche Benachteiligung der nichtjüdischen Bevölkerung;
- die Tätigkeit des israelischen Geheimdienstes und seiner Agenten außerhalb Israels;
- die Unterstützung des rechtsradikalen Zionismus durch sog. Christian Zionists;
- die Unterstützung Israels durch rechtspopulistische Parteien in Europa;
- die gezielte Verbreitung von Gerüchten und unwahren Meldungen zum Zweck der proisraelischen Propaganda;
...
Die Anzahl kritischer Veröffentlichungen zu diesem Themenkomplex, die dem Verfasser im Lauf seiner Auseinandersetzung damit und der Arbeit an diesem Text untergekommen sind, ist für einen Autor, der sich darauf etwas einbilden möchte, nachgerade entmutigend. Daß all dies bekannt ist und dennoch keinen Niederschlag in der veröffentlichten Mehrheitsmeinung, in der Darstellung und Beurteilung der Verhältnisse, keine Wirkung auf die Haltung und die Entscheidungen der deutschen Parlamente und Regierungen zeitigt, vielmehr diese mit Hilfe der Medien alles daran setzen, die tatsächlichen Verhältnisse umzukehren, um Israel politisch als Letzte Zuflucht der Juden, den Staat religiös-mythologisch als das Gelobte Land hinzustellen, außen gleichsam von Arabern (und ›Antisemiten‹) umzingelt, von Palästinensern im Innern bedroht, all das stellt Geschichte als Wissenschaft auf den Kopf, indem diese gleichgesetzt wird mit ›Erinnerungskultur‹.
So wichtig, unverzichtbar die Erinnerung sein mag, so wenig ist auf sie Verlaß. Im Unterschied zu ihr ist Geschichte »ihrer Natur nach amythisch«, indem sie einer »mythosbasierten Erinnerung« mißtraut, welche – wie die Erinnerung an die ›Endlösung‹ – nicht unbegründet aber selektiv ist. Geschichte hingegen begreift »Dissens, Wandel und Meinungsstreit als Teil des fortschreitenden historischen Verständnisses.« Es ist diese Bereitschaft, welche Geschichte zum »Hauptgegner des kollektiven Gedächtnisses« (Pierre Nora) werden läßt. Insofern sind Zweifel angebracht an der Gewissenhaftigkeit, mit der die Vertreter der ›Erinnerungskultur‹, welche die ›lieux de memoire‹ (Erinnerungsorte) in ›lieux d'histoire‹ (Geschichtsorte) umdeuten, mit historischen Fakten umgehen. (Einmal davon abgesehen davon, daß auch die Historiographie deutlich Züge der Selbstgerechtigkeit trägt.)
Warum dann dieses Buch, zum ›Antisemitismus‹ ausgerechnet? Dieses Buch, das auf der Überzeugung des Autors beruht, daß der Zionismus ein an sich selbst gescheitertes Projekt ist, der Staat Israel, wenn er am Zyonismus festhält, ein an sich selbst scheiternder Staat zu werden droht; das ›Judentum‹, wie es in der Bundesrepublik vom Zentralrat, international von Organisationen repräsentiert wird (deren Aufgabe es eigentlich ist, das Gedenken und die Erinnerung an die Opfer des Holocaust zu pflegen), das von offiziellen und selbsternannten Antisemitismusbeauftragten in Anspruch genommen wird, zutiefst enttäuscht? Auf der Überzeugung, daß die Juden in Israel auch dann nicht in Frieden werden leben können, wenn der Staat Israel den Widerstand des letzten Palästinensers, der letzten Palästinenserin gebrochen, seine Grenzen vom Jordan bis ans Meer ausgedehnt haben wird? Nicht dadurch, daß die arabische Bevölkerung Palästinas, das semitische Brudervolk der Juden, seinen auf Erden versprochenen Staat im Himmel gefunden haben wird. Daß ich als deutscher Nichtjude, Nachfahre freiwilliger Täter, unfreiwilliger Mittäter oder unfreiwilliger nichtjüdischer Opfer (die es auch gab) meinen Seelenfrieden nicht dadurch gewinne, daß ich meine Zustimmung jenen Politikern oder Medien erteile, welche diejenigen, von denen ich annahm, sie hätten selbst viel zu sehr unter Verfolgung und Vertreibung gelitten, um ihrerseits andere zu vertreiben und zu verfolgen, einfach nur gewähren lassen und verteidigen?
Dieser Text will nichts und wird nichts beweisen. Er sucht und versucht Antworten auf Fragen, die der Autor an sich selbst gerichtet hat. Er ist, wenn man so will, das Protokoll eines langen, über mehrere Jahre geführten Selbstgesprächs. Er will ohne Hoffnung auf Erfolg die Vertreter ebenso wie die Befürworter des Zionismus in Deutschland, die immer noch der Illusion anhängen, sie könnten es mit ihrem Gewissen vereinbaren, die Bewohner eines Landes zu vertreiben, um dort eine Zuflucht zu finden, auf Dauer heimisch zu werden, aus der trüben Selbstgewißheit ihrer Geschichtsvergessenheit reißen. Er will Menschen, die meinen, ein Volk wie die Palästinenser hätte ein kürzeres – gar überhaupt kein – Gedächtnis (wäre nicht mal ein Volk) und würde die ältere Schmach des Kolonialismus vergessen, trüge aber die Verantwortung für jüdisches Ungemach, ihrerseits zur Selbstbefragung anregen. Er will jenen, die sich der Logik verschließen, daß wenn הַשּׁוֹאָה das hebräische Wort für jene Katastrophe ist, wie sie Juden unter dem Hitlerfaschismus erleiden mußten, eine הַשּׁוֹאָה für jeden Hebräer mit Gewissen gerade immer irgendwo in Reichweite sein sollte, wo sich gerade eine Katastrophe vollzieht, ins Gedächtnis rufen, daß das ›Nie wieder‹ der Verfolgung und Vernichtung auch für Palästinenser gilt, deren eigener Staat als verbürgter nationaler Schutzraum mit der Gründung des Staates Israel untrennbar verbunden sein sollte. Dieses Versprechen einer sog. ZweiStaaten-Lösung – die an sich schon mit einer Zumutung verbunden war, weil sie auf dem Zugeständnis der Kolonialmächte an die zionistischen Juden eines eigenen Staates Israels beruht, das nirgendwo gewürdigt wird – wird ein Lippenbekenntnis bleiben, solange es nur für Juden (jene von Zionisten als Juden anerkannte) gilt und nicht für die Flüchtlinge in den Lagern, die nach nunmehr fast acht Jahrzehnten auf die Rückkehr in eine Heimat hoffen, welche die Zionisten nach zwei Jahrtausenden Abwesenheit für sich beanspruchen; nicht für die Kinder in Gaza oder in Ramallah. Ernst meinen kann man das ›nie wieder‹ nur, wenn es nicht allein für die Geiseln des Überfalls von Hamas auf die Nachfahren der Holocaust-Opfer gilt, sondern auch für jene Nachfahren der Nakba, die wie Vieh von israelischen Truppen mit unseren Waffen umhergetrieben, auf der Suche nach Nahrung von in unseren Ländern zubereiteten Fertigmahlzeiten erschlagen werden, die in einem merkwürdigen Verständnis von Humanität Manna gleich auf sie herabregnen. Die einen wie die anderen werden, wie sich zeigt, geostrategischen Prioritäten geopfert, die dort gesetzt werden, wo man großen Wert auf die Zugehörigkeit Israels zum Westen legt. Eine solche Verbundenheit der prozionistischen Juden mit der Westlichen Wertegemeinschaft läßt eine Bereitschaft zur Assimilation erkennen, die ein rechter Zionist eigentlich ablehnen müßte.
In diesem Buch geht es indes nur indirekt um Israel un den Nahostkonflikt und nur so weit, wie es mich als Nicht-Juden in Deutschland betrifft. Denn, wie erst kürzlich Deborah Feldman, wie schon Daniel Marwecki – vermutlich auch nicht als Erster – festellten: »es geht in der deutschen Israeldiskussion eigentlich nur um Deutschland«. Und vermutlich redet gerade jemand über Juden und das Judentum, um nicht über Deutschland und die Deutschen und über ihre ›Identität‹ zerstreiten zu müssen.
Dieses Buch will eine Bresche in den fragwürdigen moralischen Sicherheitsgürtel um deutsche (stellvertretend für ›westliche‹) Interessenpolitik schlagen, den eine atavistische Staatsräson meint (die schon von ihrem Verständnis her eigentlich immer rücklings aus der Zeit gefallen ist), um die Juden legen zu müssen. Da man aber nicht genau weiß, wer oder was die Juden sind, faßt man den Gürtel entsprechend weit, erklärt die so gemeinten für sakrosankt, packt sie in Watte und bestärkt sie in ihrer Selbstwahrnehmung als das auserwählte Volk. Man erklärt sie insgeheim für heimatlos, indem man annimmt, daß ›Israel die Heimat aller Juden‹ sei. Dabei waren Juden in Deutschland auserwählt und anerkannt als Volk und Rasse fatalerweise nur einmal so richtig: Unter der Herrschaft des Hitlerfaschismus im 12jährigen Reich.
Wenn der Autor sich wünscht, man möge endlich aufhören, von Antisemitismus zu sprechen, wenn man Judenhaß meint, soll nicht bedeuten, daß er Judenhaß, Ressentiment oder was auch immer leugnet. Vielmehr wünscht er sich, daß diese Dinge – Gefühle, Vorurteile – bei ihrem Namen genannt werden. Einer Gesellschaft, in der es Mißverständnisse hervorruft, bezeichnete man einen Nikotinsüchtigen, selbst einen Alkoholiker als ›drogenabhängig‹, sollte es möglich sein, jemand etwa des Antizionismus zu bezichtigen, der den Zionismus ablehnt. Selbst wenn man es für inkriminierend halten sollte, wenn ein palästinensischer Flüchting, der von einem zionistischen Kolonisten (›Siedler‹) vertrieben wurde, trägt es nicht zum Verständnis bei, wenn man diesen Palästinenser mit einem Neonazi in den Topf des Antisemitismus wirft. Hinter der Gleichsetzung von Israelkritik und Judenhaß lauert zudem die Gefahr, daß alle Juden für die Politik der israelischen Regierung haftbar gemacht werden. Man spielt damit genau jener Politik in die Hände, welche alle Juden für eine Sache vereinnahmen möchte, die tatsächlich die zweifelhafte Sache des in Israel seit Jahrzehnten herrschenden radikalen Zionismus ist.
Wenn es schon einem amerikanischen Juden nicht leichtfällt, Judentum, Zionismus und Israel auseinanderzuhalten, wie sollte es da einem nicht-jüdischen Deutschen gelingen, einem Redakteur oder Korrespondenten, der in einem Beitrag von neunzig Sekunden über ›Vorfälle‹ im Westjordanland oder ›terroristische‹ Anschläge in Tel Aviv berichten soll, über innere und äußere Konflikte, die darzulegen jener Jude ein ganzes Buch gebraucht hat. Inzwischen sieht man, wohin das führt, wenn jeglicher Versuch, Ereignisse aus dem Zusammenhang heraus zu verstehen, dem begrenzten Zeichenvorrat eines Messengerdienstes und der Aufmerksamkeitsspanne eines Gamers geopfert werden. Ist schon von unseren Politikern offenbar zu viel verlangt, daß sie sich mit Sachverhalten vertraut machen, von denen sie selbst nicht betroffen sein mögen, über die sie aber entscheiden, sollten sich zumindest Intellektuelle, Journalisten, Kommentatoren gründlich überlegen, welches Judentum, welches Israel, welchen Zionismus sie meinen, anstatt mit einem Wort wie ›Antisemitismus‹ anzuprangern, zu verurteilen, in dem die Interessen des Staates, die Moral der Zivilgesellschaft, die Schuld der (Mit-)Täter und die Verantwortung der Nachgeborenen, Widerstand und Terrorismus zu einem ununterscheidbaren Brei verrührt werden, welcher der Öffentlichkeit ums Maul geschmiert wird, um eine Schandtat des Staates (des israelischen und des eigenen) zu versüßen und Widerspruch durch Maßregelung zu ersticken.
Wer ist zum Beispiel gemeint, wenn von den ›Juden in Deutschland‹ die Rede ist? Sind es deutsche Bürger jüdischen Glaubens? Sind es israelische Juden, zu Gast in der Bundesrepublik, sind es Juden aus der Ukraine oder aus Rußland, die auf dem Weg in die USA oder nach Israel vorübergehend bei uns Zwischenstation machen? Können ›Juden in Deutschland‹ je in Deutschland heimisch sein (und was ist mit jenen, die seit Generationen in Deutschland leben)? Gäbe es nicht ein Mißverständnis weniger, spräche man statt von ›Juden in Deutschland‹ (Zentralrat) von jüdischen Deutschen? Nicht, daß ich auf das Deutsche größten Wert legte. Was mich betrifft, wünsche ich mir, daß Juden, ganz gleich, ob als Religionsgemeinschaft oder als Volk hierzulande ob glücklich oder unglücklich heimisch wären. Was ich gar nicht ab kann, wenn sie mir mit ihren gepackten Koffern kommen, mit Erez Israel als Heimat der Juden und letzte Zuflucht. Als Deutscher, der ich nun einmal bin und als in diesem Zusammenhang ›zum Nichtjuden Gemachter‹ frage ich mich nämlich: Zuflucht wovon, wovor, wohin? In einen Staat oder in eine Illusion, die längst nicht alle Juden teilen: »In Palästina wurde zwar ein jüdischer Staat gegründet, aber bei weitem die Mehrheit der Juden zeigte keine übermäßige Neigung, denselben aufzusuchen.« (Uri Avneri)
Kürzlich fragte sich Sonja Lahnstein in einem Interview: »Wer von meinen Freunden würde mich wohl verstecken.« Ohne mich zu ihren Bekannten zu rechnen, war, als ich das las, meine erste Reaktion: Ich könnte es mir vorstellen. Mein zweiter Gedanke war dann, daß ich unter Umständen nicht der Richtige wäre, nicht, weil ich mich drücken wollte (wer weiß schon, wie er in welcher unvorhergesehenen Situation handelt), sondern weil dieses Land, falls Frau Lahnstein gezwungen wäre, sich zu verstecken, nicht mehr mein Land wäre, sondern ein Land, in dem ich mich möglicherweise auch besser verstecken sollte. Denn ein Land, ganz gleich welches, in dem sich Menschen, ganz gleich welche, sich wegen ihres Glaubens, ihrer Ansichten oder ihrer Herkunft verstecken müssen, ist wahrlich kein Land, in dem jemand wie ich sich sicher fühlen könnte. Insofern irritierte mich die Meldung, daß ausgerechnet Serge Klarsfeld (seit einiger Zeit schon) Marine Le Pen hofierte und Partei für den Rassemblement National gegen die Linke ergriff. Der Fall zeigt, daß es ein weit verbreiteter Irrtum ist, eine Sollbruchstelle der Gesellschaft verliefe entlang der Linie zwischen Juden von Nicht-Juden.
Nicht wenige unter den jüdischen Deutschen, aber keineswegs alle finden halten es für durchaus normal, sich in einem Staat auf einem Land niederzulassen, das ihnen nachweislich nicht gehört. Diese Anhänger des Zionismus halten die Vereinnahmung palästinensischen Landes ganz offenbar für so etwas wie eine territoriale Restitution, eine Rückgabe des Landes, aus dem ihre Vorfahren von den Römern vertrieben wurden, mehr noch für in zweitausend Jahren erlittenes Unrecht. Gern möchte man ihnen raten, dorthin zu verschwinden, wo sie meinen besser aufgehoben zu sein, widerspräche es nicht den Prinzipien der Gesellschaft, deren Teil sie sind:
»Begehre nicht das Haus deines Genossen,
begehre nicht das Weib deines Genossen,
seinen Knecht, seine Magd, seinen Ochsen, seinen Esel,
noch allirgend, was deines Genossen ist.«
Ebenso wie umgekehrt gilt, daß derjenige, welcher in diesem Land lebt, den Schutz nicht ›verdient haben‹ muß, um sich seiner gewiß sein zu können. Jüdische Deutsche in Deutschland, jüdische Europäer in Europa (ich belasse es mal dabei) müssen sich hier als in ihrer Heimat entsprechend aufgehoben fühlen. Sie sollen – als Volk – ob Juden, Sorben, Sinti, Roma, Samen oder Dänen anerkannt sein; sollen – als Religionsgemeinschaft – ob Juden, Christen, Hindus oder Gott weiß was ›nach ihrer Fasson selig‹ werden. Entsprechend sollen sie im Streitfall die Gerichte bemühen und auf das Recht vertrauen, das darüber entscheidet, ob sie in ihrer Ehre verletzt werden und falls dies geschieht, ihnen überlassen, wie ihnen Gerechtigkeit zuteil wird. Mit anderen Worten: Es dürfen keine Antisemitismusbeauftragten, kein Zentralrat (weder der Juden noch der Sinti/Roma noch der Muslime) das letzte Wort haben, wenn es darum geht, was jemand über Juden oder über Israel denkt oder sagt, wie ich sie sehe, was ich von ihnen halte, auch dann nicht, wenn es für sie wenig schmeichelhaft ist, ihnen verleumderisch oder unangemessen vorkommt.
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